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Ostergeschichten
und -märchen
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Die Ostereier
( Christoph von Schmidt )
6. Ein Ei, das wirklich in Perlen gefasst wird
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Den Frühling und Sommer über fiel in dem Tale nichts besonderes vor.
Die Kohlenbrenner bauten ihr kleines Feld und gingen fleißig in den Wald,
kohlen zu brennen; ihre Weiber besorgten die Haushaltung und zogen viele
Hühner, und die Kinder fragten sehr oft, ob es bald nicht wieder Ostern
sei. Die edle Frau aber war jetzt manchmal sehr traurig. Ihr alter treuer
Diener, der sie hierher begleitet hatte, und anfangs von Zeit zu Zeit bald
größere, bald kleinere Reisen machte, und ihre Geschäfte
besorgte, konnte das Tal schon lange nicht mehr verlassen. Denn er fing an zu
kränkeln.
Um diese Zeit setzte aber noch ein anderes Ereignis die gute Frau in nicht
geringe Angst und Schrecken. Einige Kohlenbrenner kamen eines Morgens aus dem
Walde heim, und erzählten dem Müller: Als wir die vergangene Nacht
wohlgemut bei unserm brennenden Kohlenhaufen gesessen, da sind auf einmal vier
fremde Männer zu uns gekommen, sie hatten eiserne Kappen auf dem Kopfe und
eiserne Wämser an, und trugen große Schwerter an der Seite und
führten lange Spieße an der Hand. sie nannten sich Dienstleute des
Grafen von Schroffeneck, der mit vielen Reisenden im Gebirge angekommen sei.
Sie haben sich auch nach allem in der Gegend wohl erkundigt. Der Müller
eilte mit dieser Neuigkeit sogleich zu der Frau, die eben an dem Bette des
kranken Kuno saß. sie wurde, als der Müller den Namen Schroffeneck
nannte, totenbleich, und rief: O Gott, der ist mein schrecklicher Fein! Ich
glaube nicht anders, als er stellt mir nach dem Leben. Die Kohlenbrenner werden
den fremden Männern meinen Aufenthalt ja doch nicht entdeckt haben? Der
Müller versicherte, so viel er wisse, sei von ihr gar nicht die Rede
gewesen. die Männer, sagte er, haben sich an dem Feuer nur gewärmt,
und sind gegen Tag wieder weiter gezogen.
Lieber Oswald! sprach die Frau zum Müller, ich habe, seit ihr mich in euer
Haus aufnahmt, euch immer als gottesfürchtigen, rechtschaffenen, redlichen
Mann kennen gelernt. Euch will ich daher meine ganze Geschichte anvertrauen,
und euch die große Angst erklären, die jetzt mein Herz erfüllt;
denn auf euren guten Rat und auf euren treuen Beistand rechne ich sicher.
Ich bin Rosalinde, eine Tochter des Herzogs von Burgund. Zwei angesehene Grafen
warben um meine Hand - Hanno von Schroffeneck und Arno von Lindenburg. Hanno
war der reichste und mächtigste Herr weit umher, und hatte viele
Schlösser und Kriegsleute; allein er war nicht gut und edel. Arno war wohl
der tapferste und edelste Ritter im Lande, allein im Vergleich mit Hanno arm,
denn er hatte von seinem edlen, uneigennützigen Vater nur ein einziges
altes Schloss geerbt, und war auch gar nicht darauf bedacht, durch Gewalt
mehrere an sich zu reißen. Ihm gab ich, mit Gutheißen meines
Vaters, meine Hand, und brachte ihm eine schöne Strecke Landes mit
mehreren festen Schlössern zum Brautschatze. Wir lebten so vergnügt
wie im Himmel.
Hanno von Schroffeneck fasste aber einen grimmigen Hass gegen mich und meinen
Gemahl, und wurde uns totfeind. Indes verbarg er seinen Groll und ließ
ihn nicht in öffentliche Feindseligkeiten ausbrechen. Nun musste mein
Gemahl mit dem Kaiser in den Krieg gegen die wilden, heidnischen Völker
ziehen. Hanno hätte den Zug auch mitmachen sollen. Allein unter allerlei
Vorwänden wusste er seine Rüstung zu verzögern, blieb
zurück und versprach bloß, dem Heere sobald als möglich zu
folgen. Während nun mein Gemahl mit seinen Leuten an den fernen Grenzen
für sein Vaterland kämpfte und das ganze christliche Kriegsheer genug
zu tun hatte, den übermächtigen Feind abzuhalten, brach der treulose
Hanno in unser Land ein - und niemand war, der sich ihm widersetzen konnte. Er
verwüstete alles weit umher und erstürmte ein festes Schloss nach dem
andern. Mir blieb nichts übrig, als mit meinen zwei lieben Kindern
heimlich zu entfliehen.
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