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Ostergeschichten
und -märchen
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Die Ostereier
( Christoph von Schmidt )
1. O wehe, da gibt's noch nicht einmal Hühner!
- Seite 1 ( von 3 ) -
Es lebten einmal, vor vielen hundert Jahren, in einem kleinen Tale tief im
Gebirge, einige arme Kohlenbrenner. Das Tal war rings von Wald und Felsen
eingeschlossen. Die Hütten der armen Leute lagen im Tale umher zerstreut.
Einige Kirschen und Pflaumenbäume bei jeder Hütte, etwas Ackerland
mit Sommergetreide, Flachs und Hanf, eine Kuh und einige Ziegen waren all ihr
Reichtum. Indes erwarben sie noch einiges mit Kohlenbrennen für die
Eisenschmelze im Gebirge. So wenig aber die Leute hatten, so waren sie dennoch
ein sehr glückliches Völklein; denn sie wünschten sich nicht
mehr. Sie waren bei ihrer harten Lebensart, bei steter Arbeit und strenger
Mäßigkeit vollkommen gesund, und man sah in diesen armen Hütten
- was man in Palästen vergebens suchen würde - Männer, die
über hundert Jahre alt waren.
Eines Tages, da schon der Hafer anfing, sich zu bleichen und es im Gebirge sehr
heiß war, kam ein Köhlermädchen, das die Ziegen hütete,
fast außer Atem nach Hause gesprungen, und brachte ihren Eltern die
Nachricht, es seien fremde Leute in dem Tale angekommen, von gar wundersamer
Tracht und seltsamer Redensart - Eine vornehme Frau und zwei Kinder, und ein
sehr alter Mann, der, ob er gleich sehr prächtige Kleider anhabe, doch nur
ihr Diener scheine. Ach, sagte das Mädchen, die guten Leute sind hungrig
und durstig, und sehr müde. Ich traf sie, als ich eine verlorenen Ziege
suchte, ganz abgemattet im Gebirge an, und zeigte ihnen den Weg in unser Tal.
Wir wollen ihnen doch etwas zu essen und zu trinken hinaus tragen, und sehen,
ob wir sie diese Nacht bei uns und den Nachbarn nicht unterbringen können.
Die Eltern nahmen sogleich Haferbrot, Milch und Ziegenkäse und gingen hin.
Die Fremden hatten sich indes in den Schatten einer buschigen Felsenwand
gelagert, wo es sehr kühl war. die Frau saß auf einem bemoosten
Felsenstücke, und hatte ihr Angesicht mit einem weißen Schleier von
seinem Flor bedeckt. Eines der Kinder, ein zartes, wunderschönes
Fräulein, saß ihr auf dem Schoße. Der alte Diener, ein
ehrwürdiger Greis, war damit beschäftigt, das schwer beladenen
Maultier abzupacken, das sie bei sich hatten. Das andere Kind, ein munterer
schöner Knabe, hielt dem Tiere einige Disteln hin, an denen es begierig
fraß.
Der Kohlenbrenner und sein Weib näherten sich der fremden Frau mit
Ehrerbietung. Denn an ihrer edlen Gestalt, ihrem Anstande und ihrem langen,
weißen Gewande merkte man sogleich, dass sie von hohen Stande sein
müsse. Sieh nur, sagte die Kohlenbrennerin leise zu ihrem Manne, den
zierlich ausgezackten, stehenden Halskragen, die feinen Spitzen, aus denen die
zarten Hände nur zur Hälfte hervorblicken, und - potz tausend! -
sogar die Schuhe sind so weiß, wie Kirschenblüten, und mit silbernen
Blümchen geziert! Der Mann tadelte aber sein Weib und sagte zu ihr: Dir
steckt doch nichts im Kopfe, als die Eitelkeit! Den höheren Ständen
geziemt eine vornehmere Kleidung. Indes macht das Kleid den Menschen um nichts
besser, und mit den zierlichen Schuhen hat die gute Frau wohl schon manchen
harten Tritt tun und manche rauen Wege gehen müssen.
Der Köhler und die Köhlerin boten der fremden Frau jetzt Milch, Brot
und Käse an. die Frau schlug den Schleier zurück, und beide wunderten
sich über die Schönheit und die edle, sanfte Gesichtsbildung der
Frau. Sie dankte freundlich, und ließ sogleich das Kind auf dem
Schoße aus der irdenen Schale voll Milch trinken - und die hellen
Tränen drangen ihr aus den Augen, und benetzten die blühenden Wangen,
als das Kleine die Schale mit beiden Händchen festhielt und begierig
trank. Auch der liebliche Knabe kam herbei und trank auch. Darauf teilte sie
von dem Brote aus - und dann trank sie erst selbst, und aß von dem Brote.
Der fremde Mann aber schnitt große Stücke von dem Käse ab, und
ließ sich ihn sehr gut schmecken. Während sie aßen, kamen aus
allen Hütten die Kinder, Mütter und Väter herbei, standen im
Kreise umher, und betrachteten neugierig und wundernd die neuangekommenen
Fremden.
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