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Ostergeschichten
und -märchen
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Die Ostereier
( Christoph von Schmidt )
1. O wehe, da gibt's noch nicht einmal Hühner!
- Seite 2 ( von 3 ) -
Nachdem der alte Mann satt war, bat er flehentlich, die Leute möchten der
Frau doch in irgendeiner Hütte auf einige Zeit ein kleines Stübchen
einräumen, sie werde ihnen nicht zur Last fallen, sonder alles, was sie
nötig habe, reichlich bezahlen. Ach ja, sagte die Frau mit sanfter,
lieblicher Stimme, erbarmt euch einer unglücklichen Mutter und ihrer zwei
Kinder, die durch ein schreckliches Schicksal aus ihrer Heimat vertrieben
wurden. Die Männer traten sogleich zusammen und hielten Rat, in welches
Haus man sie am füglichsten aufnehmen könne.
Oben im Tale brach hoch aus dem rötlichen Marmorfelsen ein Bächlein
hervor, stürzte sich, schäumend und weiß wie Milch, von Felsen
zu Felsen, und trieb eine Mühle, die gleichsam nur so an den Felsen dort
hing. Auf der andern Seite des Bächleins hatte der Müller noch ein
anderes Häuslein erbaut. Freilich war es, wie alle übrigen
Häuser im Tale, nur ganz von Holz, aber gar freundlich anzusehen, von
Kirschbäumen lieblich beschattet, und von einem kleinen Gärtchen
umgeben. Dieses Häuschen bot der Müller der fremden Frau zur Wohnung
an.
Mein neues Hüttchen da droben, sagte er, indem er mit der Hand hinauf
zeigte, räume ich euch, wie es dasteht, herzlich gern ein. Es ist
funkelnagelneu, und noch kein Mensch hat darin gewohnt. Ich baute es
eigentlich, um einmal dahin zu ziehen, wenn ich die Mühle meinem Sohne
übergeben werde. Wie doch der liebe Gott - ihm sei Dank! so wunderbar
für euch gesorgt! Erst gestern bin ich damit vollends fertig geworden, und
heute könnt ihr nun schon einziehen - gerade so, als wenn ich es nur
für euch gebaut hätte. Es wird euch gewiss gefallen!
Die gute Frau war über diese freundliche Anerbieten hoch erfreut. Nachdem
sie etwas ausgeruht hatte, ging sie sogleich hinauf. Sie trug das kleine
Fräulein auf dem Arme, und der alte Mann führte den Knaben an der
Hand. Der Müller aber besorgte das Maultier. die Frau fand das
Häuschen, zur großen Freude des Müllers, ganz unvergleichlich.
mit einem Tische, einigen Stühlen und Bettstätten war es schon
versehen. Schöne Teppiche und prächtige Decken zur Nachtruhe hatte
die Frau auf dem Maultier mitgebracht. Sie übernachteten daher sogleich
da, und dankte Gott mit ihren beiden Kleinen vor dem Schlafengehen noch
herzlich, dass er sie nach langem Umherirren einen so angemessenen Zufluchtsort
habe finden lassen. Wer hätte es geglaubt, sagte sie, dass ich, in
Palästen erwachsen, mich noch glücklich schätzen würde, in
einer solchen Hütte aufgenommen zu werden. Wie nötig hat auch der
Höhere, gegen den Niedrigeren gut und gefällig zu sein! Könnte
er auch so hart sein, es nicht aus Menschenfreundlichkeit zu tun, so sollte ihn
doch die Klugheit dazu bewegen. Denn kein Mensch weiß, was ihm
bevorsteht.
Am folgenden Morgen kam die Frau in aller Frühe mit ihren Kleinen aus der
niedern Wohnung hervor, sich ein wenig in der Gegend umzusehen. Denn am Tage
zuvor waren sie dazu all zu müde. Mit Entzücken betrachtete sie die
schöne Aussicht ins Tal. die Hütten der Köhler lagen tief unten
im grünen Tale wie hingesät, nur immer zwei oder drei beisammen. Das
Mühlbächlein schlängelte sich hell wie Silber mitten durch das
Tal. Die bunten Felsen voll grüner Gesträuche, an denen die Ziegen
nagten, hätte man, so wie sie jetzt von der Morgensonne beleuchtet waren,
nicht schöner malen können. Der alte Müller kam, sobald er die
Frau mit ihren Kindern erblickte, sogleich aus der Mühle heraus, und
über den schmalen Steg, der über das Bächlein führte,
herüber. Aber nicht wahr, rief er, ein schöneres Plätzchen als
dieses, gibt es doch im ganzen Tale nicht! hier scheint die Morgensonne immer
am ersten hin. Wenn die Hütten da unten, wie eben jetzt, noch im schwarzen
Schatten liegen, so ist da droben schon alles von der Sonne wie vergoldet. Ja
oft, wenn in diesem tiefen, feuchten Tale kaum die Kamine der Hütten aus
dem grauen Nebel hervorragen, hat man hier den klaren blauen Himmel.
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