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Ostergeschichten
und -märchen
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Die Ostereier
( Christoph von Schmidt )
7. Der Druckfehler
- Seite 1 ( von 4 ) -
Frau Reinhold war die Witwe eines sehr rechtschaffenen fürstlichen Rates.
Sie mietete nach dem Tode ihres seligen Mannes eine kleine Wohnung in einer
abgelegenen Straße der Vorstadt, und lebte da mit ihren drei Kindern von
ihrer kleinen Pension sehr sparsam, aber bei ihrer Gottesseligkeit und
Genügsamkeit sehr zufrieden und vergnügt.
Sie arbeitete mit ihren zwei Töchtern vom frühen Morgen bis an den
späten Abend, um das, was zu ihrem ausreichenden Lebensunterhalte abging,
mit dem Fleiß ihrer Hände zu ersetzen. Sie sah auch wohl ein und
erkannte es sehr weise und billig, dass die Verleihung der Pension auf das, was
sie und ihre Töchter durch ihren Fleiß verdienen konnten, gerechnet
worden. Sie verdienten auch wirklich durch Nähen und Stricken täglich
so viel, dass sie keinen Mangel litten, und sich standesgemäß,
jedoch ohne allen Prunk, kleiden konnten.
Der Sohn besuchte die lateinischen Schulen und die höheren Lehranstalten
der Stadt, in denen er bis zur Universität studieren konnte. Er zeichnete
sich durch Talente, Fleiß und gutes Betragen vor allen seinen
Mitschülern aus. Die Mutter fand in ihren hoffnungsvollen Kindern, die
auch schön von Gestalt und blühendem Aussehen waren, den besten Trost
über das frühe Hinscheiden des Vaters. - Nun kam die Zeit, da Eduard
die Universität besuchen sollte. Die Mutter war freilich außer
stande, bei ihrem geringen Einkommen und Vermögen die Kosten zu
bestreiten. Allein man machte ihrem Sohne die Hoffnung auf ein sehr gutes
Stipendium. Er hatte sich bereits darum gemeldet, und da er unter allen seinen
Mitschülern der erste war und sein seliger Vater ein sehr verdienter
fürstlicher Diener gewesen, so sah man es für eine ausgemachte Sache
an, er werde das Stipendium erhalten. Sein Koffer stand bereits gepackt. die
Mutter hatte ein kleines Kapital aufgekündigt, um ihn mit den
nötigsten Kleidern zu versehen, seine Schwestern hatten sehr fleißig
gearbeitet und manche späte Stunde der Nacht darauf verwendet, ihn bestens
auszustatten. Der Tag der Abreise war schon bestimmt, ein Jugendfreund Eduards
wollte ihm einen Platz in seinem Reisewagen einräumen.
Der Tag an dem Eduard abreisen sollte, brach an. Es war ein heller, kalter
Morgen zu Anfang des Novembers. Es schlug bereits acht Uhr. Allein das
schmerzlich erwartete Dekret war noch immer nicht gekommen. Eduard eilte auf
die Kanzlei, um sich zu erkundigen, ob es noch nicht ausgefertigt sei. Da
vernahm er zu seinem Schrecken, ein anderer habe das Stipendium erhalten, und
das Dekret sei gestern Abend an denselben abgegeben worden. Eduard kam
höchst betrübt nach Hause. Mit bleichem Angesichte stürzte er in
das Wohnzimmer und rief: Nun sind alle unsere Hoffnungen vereitelt, ich bekomme
das Stipendium nicht; es ist bereits vergeben. Er stürzte sich auf seinen
Schreibpult und brach in einen Strom von Tränen aus.
Mutter und Töchter waren sehr erschüttert und fingen auch an,
schmerzlich zu weinen. Liebster Bruder, sagte Auguste, die ältere
Schwester, ich leiste auf mein kleines Erbteil gerne Verzicht, damit du deine
Studien beenden kannst.
Das tue auch ich mit Freuden, sagte Mathilde, die jüngere Schwester, es
wäre ja schade um Eduards schönes Talent und die Kenntnisse, die er
sich bereits erworben hat! Und was sollte er nun anfangen? Ein Handwerk zu
erlernen, wäre doch nichts für ihn, auch wäre es dazu wohl zu
spät. - Eduard weinte, von dem Anerbieten seiner Schwestern gerührt,
noch mehr. Nein, nein, sagte er, ich kann das Geschenk eurer schwesterlichen
Liebe nicht annehmen. Es war immer meine süßeste Hoffnung, einmal in
den Stand zu kommen, euch und die liebe Mutter zu unterstützen. Allein, da
es mir jetzt schon so hinderlich geht, so fürchte ich, es nie so weit zu
bringen, euer Eigentum, das ich bloß als ein Anlehen betrachten
würde, euch wieder zu ersetzen.
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