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Ostergeschichten
und -märchen
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Die Ostereier
( Christoph von Schmidt )
7. Der Druckfehler
- Seite 3 ( von 4 ) -
Zeigen sie einmal! sagte der Fremde mit vornehmem Anstand, nahm einen Sessel,
setzte sich und las. Es waren mehrere Zeugnisse, von jedem Studienjahr ein
paar. Vortrefflich! sagte der Herr, indem er die Zeugnisse zurückgab.
Allein haben sie sonst noch Ansprüche auf ein Stipendium? Wohl, sagte
Eduard, mein Vater war fürstlicher Hofrat, er hat zwanzig Jahre treu und
redlich gedient und eine dürftige Witwe mit drei unversorgten Kindern
zurückgelassen.
Nicht möglich! rief der Fremde mit einigem Unwillen und stand auf. Die
Mutter bestätigte Eduards Aussage.
Allein der Fremde sprach: Ihr seliger Mann war dennoch nicht so arm, als sie
vorzugeben scheinen. Der Bibliothek nach zu urteilen die er hinterließ,
musste er ein großes Vermögen besitzen. Es befinden sich unter
anderen kostbare Werke besonders einige wertvolle englische Bücher in
dieser Bibliothek. - Die Hofrätin sagte: Mein Mann hinterließ zwar
einen kleinen Vorrat von juristischen Büchern, die ich nicht verkaufen
wollte und für meinen Eduard aufbewahre. Allein es befindet sich nicht ein
einziges Buch englischer Sprache darunter.
Das ist nicht so, sagte der Fremde etwas ärgerlich. Ich weiß das
sehr gut und komme ja eben hierher, die englischen Bücher zu kaufen. Eben
dies ist das kleine Geschäft, das mich hierher führt, und wovon ich
schon anfangs sagte. Da lesen sie einmal! Er zog das Zeitungsblatt heraus und
zeigte es der verwunderten Frau. Sehen sie da, sprach er, Ihre Hausnummer 863.
Da steht es, dass hier viele Bücher, die mit Namen genannt werden, zu
verkaufen sind. Das ist in der Tat die Nummer meiner Wohnung, sagte die
Rätin; allein, wie diese Nummer in das Wochenblatt hinein kam, weiß
ich nicht.
Jetzt trat Eduard näher, blickte in das Blatt und sagte: Das ist ein
Druckfehler. Ich weiß von dieser Bibliothek; ich war auch dort, und
hätte mir gern ein oder das andere Buch gekauft, wenn ich dazu nicht zu
arm gewesen wäre. Die Zahl soll aber anstatt Nr. 863 heißen Nr. 893.
Der fremde Herr schwieg eine Weile betroffen still. Er blickte in der kleinen
Wohnstube umher. sie war höchst reinlich. Aus allem war wohl anzunehmen,
die Leute seien arm, aber sehr ehrliebend und arbeitsam. Der fremde Herr hatte
Mitleid mit ihnen und seine Augen wurden feucht von Tränen.
Liebe Frau Hofrätin, sprach er, mich dünkt, es ist eine Schickung
Gottes, dass ich - durch einen Druckfehler dazu veranlasst - eben in diesem
Augenblicke in ihre Wohnung kommen musste. Ich wollte da eine nicht ganz
unbedeutende Summe Geldes - er zeigte das Gold in seiner Hand - für
Bücher ausgeben. Damit mir nicht ein anderer zuvorkomme und die
Bücher kaufe, stand ich so früh auf. Allein, recht erwogen, kann ich
diese Bücher gar wohl entbehren. Ich besitze sie bereits alle, wiewohl
nicht in solchen Prachtausgaben. Ich denke nun das Geld besser zu verwenden.
Eduard mag für das erste halbe Jahr auf der Universität damit
ausreichen - indessen wollen wir weiter sehen. Ich bin Lord Clifford, und ihr
Fürst beehrt mich mit seiner Freundschaft; ich bin eben bei ihm auf Besuch
und werde mit ihm über die Sache sprechen.
Er gab das Geld - zehn Louisd'or - dem erstaunten Eduard und sprach: Haben sie
Gott vor Augen, studieren sie fleißig, und lassen sie sich durch das
Universitätsleben nicht zu jugendlichen Torheiten und Ausschweifungen
verleiten, so werden sie einst die Stütze und der Trost ihrer Mutter und
Schwestern werden. - Wir werden uns wieder sehen, sagte er noch, ging zur
Türe hinaus und ließ Eduard, die Mutter und die zwei Schwestern im
größten Erstaunen zurück. Alle priesen einmütig und unter
reichlich hervordringenden Tränen Gottes heilige Vorsehung, und Eduard
reiste voll der besten Vorsätze eine Stunde nachher ab.
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