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Ostergeschichten
und -märchen
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Die Ostereier
( Christoph von Schmidt )
4. Das Fest der gefärbten Eier, ein Kinderfest
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Indes gingen Sommer und Herbst vorüber, und der Winter kam. Er war, zumal
in dieser rauen Gegend sehr hart. Die kleinen Hütten im Tale lagen Monate
lang, wie im Schnee vergraben. Nur die rauchenden Kamine und zum Teil auch die
Dächer schauten noch aus der weißen Hülle hervor. Von dem
Hohlwege zwischen den Felsen heraus sah man gar nichts mehr. Die Mühle
stand still und die Wasserfälle hingen starr und geräuschlos an den
Felsen da. Man konnte nur wenig zusammen kommen. Desto größer ward
die Freude, als der Schnee schmolz, und es nun wieder Frühling ward.
Die Kinder aus dem Tale kamen sogleich wieder herauf, und brachten den beiden
fremden Kindern, Edmund und Blanda, die ersten blauen Veilchen und gelben
Schlüsselblümchen, die sie im Tale finden konnten. Ja, sie flochten
ihnen, sobald es mehrere dieser holden Frühlingsblümchen gab, die
schönsten blauen und gelben Kränze. Ich muss, sagte die edle Frau,
den guten Kindern doch auch eine Freude machen. Ich will ihnen auf den
kommenden Ostertag ein kleines ländliches Kinderfest geben. Denn es ist
gar schön, dass man solche Festtage den Kindern, so gut man immer nur
kann, zu Freudentage mache. Aber was soll ich ihnen geben? Auf Weihnachten
konnte ich sie mit Äpfeln und Nüssen beschenken, die ich für sie
hatte bringen lassen. Allein zu dieser Jahreszeit hat man nichts im Hause, als
etwa ein Ei. Noch bringt die Natur nichts hervor, das zu genießen
wäre. Alle Bäume und Sträucher stehen ohne Früchte und
Beeren. Eier sind die ersten Geschenke der wieder auflebenden Natur. Aber,
sagte Martha, wenn die Eier nur nicht so ganz ohne alle Farben wären!
Weiß ist wohl auch schön. Allein die allerlei Farben der
Früchte und Beeren, zumal die schönen roten Wangen der Äpfelein,
sind doch noch schöner. Du bringst mich da auf einen Einfall, sagte die
gute Frau, der nicht gar übel sein mag. Ich will die Eier hart sieden, und
sie, was sich während des Siedens leicht tun lässt, zugleich
färben. Die mancherlei Farben machen den Kindern gewiss große
Freude.
Die verständige Mutter kannte verschiedene Wurzeln und Moose, die man zum
Schönfärben brauchen kann. Sie färbte nun die Eier auf
verschiedene Art. Einige wurden schön himmelblau, andere gelb wie
Zitronen, andere so schön rot wie das Innere der Rosen. Einige hatte sie
mit zarten grünen Blättchen eingebunden, die sich dann auf den Eiern
abbildeten, und ihnen ein unvergleichlich schönes buntes Aussehen gaben.
Auf einige schrieb sie auch einen kleinen Reim. Die gefärbten Eier, sagte
der Müller, als er sie erblickte, sind gerade recht für das Fest, wo
die Natur ihr weißes Kleid abgelegt hat und sich mit allerlei Farben
schmückt. Die gute Mutter macht es gerade wie der liebe Gott, der uns
nicht nur schmackhafte Früchte gibt, sondern sie auch noch für das
Auge schön und freundlich macht. Wie er die Kirsche rot, die Pflaume blau,
die Birne gelb färbt, so macht sie es mit den Eiern. Die Frau schickte
hierauf Martha hinab in das Tal, und ließ die Kinder, die mit Edmund und
Blanda ungefähr von einerlei Alter waren, auf den heiligen Ostertag zu
einem kleinen Kinderfeste einladen.
Der Ostertag war diesmal ein überaus schöner Frühlingstag - ein
wahrer Auferstehungstag der Natur. Die Sonne schien so schön und warm, der
Himmel war so rein und blau, das es eine Lust war, und alles neues Leben
fühlte. Die Wiesen im Tale waren bereits schön grün, und hie und
da schon bunt von Blumen. Jedermann freute sich, und man sah überall nur
fröhliche Gesichter.
Schon lange vor Anbruch der Morgenröte hatte die Frau und der alte Kuno
sich auf den Weg zur Kirche gemacht, die über zwei Stunden weit entfernt,
jenseits mehrerer Berge lag. Edmund und Blanda mussten indes unter Marthens
Aufsicht zu Hause bleiben.
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