|
|
Ostergeschichten
und -märchen
|
|
|
Die Ostereier
( Christoph von Schmidt )
6. Ein Ei, das wirklich in Perlen gefasst wird
- Seite 4 ( von 5 ) -
Vater und Mutter und Kinder fühlten sich so glücklich, als wären
sie schon im Himmel, und ein paar Stunden verschwanden ihnen wie ein paar
Augenblicke. - Rosalinde hatte aus den Reden ihres Gemahls vernommen, dass er
unter starker Bedeckung spornstreichs hierher geritten sei, um sie hier
abzuholen; dass er aber wegen der steilen, gefährlichen Felswege sein
Gefolge von Reitern zurückgelassen habe, und in Pilgertracht zu Fuße
vorausgeeilt sei, um schneller bei ihr zu sein, sich unter dieser fremden
Gestalt von ihrem Wohlbefinden und von dem Wohlverhalten seiner Kinder zu
überzeugen, und sie auf seinen Empfang vorzubereiten. Rosalinde fragte,
wie es gekommen sei, dass er ihren Aufenthalt so sicher erfahren habe.
O Rosalinde, sagte er, unser Wiedersehen ist die Frucht deiner
Wohltätigkeit gegen die armen Leute, besonders gegen die Kinder in diesem
Tale. Darum hat Gott deinen Kindern den Vater wieder geschenkt. Ohne diese
deine wohltätigen Gesinnung hätten wir uns nicht so bald, ach
vielleicht gar nicht mehr gesehen! Denn überall warest du von unsern
Feinden umgeben, und leicht hättest du in ihre Hände fallen
können. Erst nachdem ich mit meinen Leuten im Gebirge angekommen war,
entfloh Hanno mit den Seinigen über alle Berge. Er zeigte ihr das
gefärbte Ei mit dem Spruche: Vertrau auf Gott, er hilft in Not. Sieh da!
sprach er, dieses Ei war in der Hand Gottes das Mittel, uns wieder zu
vereinigen. Ich habe schon seit langem Leute ohne Zahl ausgesendet, dich zu
suchen, aber immer vergebens. Da kam einmal Eckbert, einer meiner Edelknechte,
den ich schon für verloren hielt, weil er mir gar zu lange ausblieb, von
einem Ritte zurück. Er war in einen Abgrund gestürzt, und wäre
da bald verhungert. Ein fremder Jüngling rettete ihn mit ein paar Eiern
vom Hungertod und schenkte ihm noch obendrein dieses Ei. Aber, lieber Himmel,
wie erstaune ich! Auf den ersten Blick erkannte ich in den Schriftzügen
deine Hand. Augenblicklich saßen wir auf und ritten dem großen
Marmorbruche zu, in dem der gute Jüngling arbeitete. Dieser zeigte mir den
Weg hierher. Hättest du den schönen freundlichen Gedanken nicht
gehabt, den Kindern mit den bunten Eiern ein Fest zu geben, hättest du bei
den leiblichen Wohltaten nicht auf den Geist so schön Bedacht genommen,
und die schönen Denkreime nicht auf die Eier geschrieben, wäret ihr
alle - du, mein kleiner Edmund da, und du, meine kleine holde Blanda hier,
gegen einen fremden Jüngling nicht so wohltätig gewesen, o so
wäre uns der heutige Freudentag nicht geworden! Auf jede milde Gabe, sei
sie auch noch so klein, ruht doch immer der Segen des Höchsten, wenn sie
aus reinem Herzen und ohne Hoffnung auf Vergeltung gegeben wird.
Indes war es Abend geworden, und schon glänzte hie und da ein Sternlein am
klaren Himmel. Graf Arno ging mit seiner Gemahlin am Arme ihrer ländlichen
Wohnung zu, und die zwei Kleinen gingen voraus. Hier erwarteten sie neue
Freuden. Der Edelknecht und Fridolin, sein Erretter waren hier, und hatten sich
mit Kuno unterhalten, den die Ankunft seines geliebten Herrn schon fast gesund
gemacht hatte. Der gute Jüngling Fridolin, dem die Gräfin die Eier
geschenkt hatte, kam zuerst herbei und grüßte sie und die Kinder als
alte Bekannte auf das freudigste. Dann trat Eckbert, der Edelknecht, den die
Eier vom Hungertode gerettet hatten, ehrerbietig herzu. Den braven Kuno umarmte
der Graf als seinen treuesten Diener, und auch dem wackeren Müller, der
festlich geputzt in seinem hellblauen Sonntagsrocke dastand, schüttelte er
mit dankbarer Rührung treuherzig die Hand. Sie speisten den Abend alle
zusammen, und waren von Herzen fröhlich und vergnügt.
Am andern Morgen aber war großer Jubel im ganzen Tale. die Nachricht, der
Gemahl der guten Frau, ein vornehmer, ganz überaus vornehmer Herr, sei
angekommen, setzte alles in Bewegung. Groß und klein kam herauf, ihn zu
sehen, und die kleine Hütte ward ganz von Leuten umringt.
|
|
|