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Predigt am heiligen Ostertag
( Martin Luther )
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Denn gleichwie mein Leib und Seele zwei Naturen sind, und ich doch eine einige
Person bin, also, dass wer mein Leib sticht, haut, tötet, der versehrt
mich, ob er schon meine Seele nicht sticht und nicht tötet: also auch ist
Christus Gott und Mensch, und wer Mariens Sohn erwürgt, der erwürgt
Gottes Sohn; wer Mariens Sohn verachtet, lästert, schändet, kreuzigt,
der verachtet, lästert, schändet, kreuzigt Gottes Sohn und Gott
selbst. Die Mutter Maria hat gesäugt, gespeist, getränkt, gewiegt
wahrhaftigen Gott und Menschen, obschon Gott des Säugens, Speisens,
Tränkens, Wiegens nicht bedurft hat.
Das andere Stück dieser Predigt ist, dass man die Historie ziehe auf
Kraft, Frucht und Nutzen. Davon hört ihr durch das ganze Jahr, wie unser
Herr Jesus Christus durch seinen sieg, welchen er gewonnen hat in sich selbst,
Sünde, Tod und Teufel überwunden und geschlagen hat; den Teufel hat
er erwürgt in seinem eignen Leib, den Tod ersäuft in seinem eignen
Blut, die Sünde ausgelöscht in seiner Marter und Leiden. Solches hat
er allein und in sich selbst ausgerichtet; aber für sich allein und
für sich selbst hat er's nicht behalten. Denn er, als wahrhaftiger, ewiger
Gott und Herr über alles, hat solches Siegs für sich selbst nicht
bedurft; viel weniger hat er bedurft, dass er Mensch würde; noch viel
weniger, dass er litte unter Pontio Pilato. Dass aber so große, hohe
Person solches ausgerichtet hat, das gilt mir und dir und uns allen. Und das
ist die Kraft und Frucht des Leidens und der Auferstehung Christi. Nach der
Historie müssen wir wissen und glauben, dass Christus eine hohe,
treffliche Person sei, wahrhaftiger Gott und Mensch, und dass sein Leiden und
Sterben groß und hoch, und seine Auferstehung von den Toten herrlich und
sieghaftig sei. Aber nach der Kraft und Frucht müssen wir wissen und
glauben, dass sein Sieg und Triumph ausgeteilt und geschenkt sei allen, die an
ihn glauben; also, dass wir nicht allein glauben, dass Christus gestorben und
von den Toten auferstanden sei in seiner Person; sondern auch, dass wir uns
desselbigen Leidens und Auferstehung annehmen, als des uns gegebene und
geschenkten Schatzes, und rechten Trost davon haben, wie wir im Osterliede
singen: Dessen sollen wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Es gilt
uns, Christus will und mit seiner Auferstehung trösten.
Das ist recht wohl gesungen, und sind sehr tröstliche, ja eitel geistliche
Worte: denn sie lehren, dass der Sieg und die herrliche Auferstehung dieser
hohen trefflichen Person allen Gläubigen geschenkt und zu eigen gegeben
sei, also dass ich wider meinen, du wider deinen, und ein jeglicher wider
seinen Tod Christi Auferstehung haben soll, welche größer ist, denn
Himmel und Erde, und in welcher der ganzen Welt Sünde und Tod verschlungen
ist. Meine Heiligkeit soll's nicht tun, kann's auch nicht tun, noch mich von
einiger Sünde, geschweige denn von der Sündenlast und dem Tode
erlösen. Aber das tut's, dass diese Person, wahrhaftiger Gott und Mensch,
in und durch sich selbst einen ewigen, herrlichen Sieg wider Sünde, Tod
und Teufel erlangt hat; und derselbige Sieg soll mein sein, wenn ich nur an ihn
glaube, und ihn erkenne für die Person, welche mir und allen
Gläubigen zu gut solches ausgerichtet hat. Wer das nicht glauben will, der
lasse es; wir predigen für die, so es gern hören und so es
bedürfen. Das sind die, so in Ängsten, Schrecken und Zagen sind,
welche sagen: Ich muss davon sterben; item, ich habe gesündigt, ich habe
weder Ruhe noch Friede. Denn wenn der Teufel einen angreift, macht er ihm
Himmel und Erde zu enge. Mich plagt er unterweilen auch also, dass er mir aus
einer vergeblichen Sünde solch Meer und Feuer macht, dass ich nicht
weiß, wo ich bleiben soll. Solches tut er mit der Sünde. Mit dem Tod
tut er auch also; den kann er so gräulich, grässlich und schrecklich
aufmutze, dass man Gottes und seines Wortes gar vergisst. Er ist ein
Tausendkünstler, er ist ein Meister der Sünden und des Todes; darum
kann er auch die Sünde und den Tod so meisterlich aufmutzen. Er hat mir
oft eine geringe Sünde, ja Etwas, das an sich selbst nicht Sünde,
sondern recht und wohl getan gewesen ist, so aufgemutzt, dass ich davor nicht
habe bleiben können.
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