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Osterpredigten
von Martin Luther
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Predigt am Palmsonntag
( Martin Luther )
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Über 1. Cor. 15, 3. 4.
Ein Sermon von dem heiligen Leiden Christi, von Luther geschrieben und
ausgegeben im Jahre 1519.
Zum ersten bedenken etliche das Leiden Christi also, dass sie über die
Juden zornig werden, singen und schelten über den armen Judas, und
lassen's also genug sein; gleichwie sie gewohnt sind, andere Leute zu klagen,
ihre Widersacher zu verdammen und ihnen übel zu reden. Das möchte
wohl nicht Christi Leiden, sondern Judas und der Juden Bosheit bedacht
heißen. Zum andern haben etliche angezeigt mancherlei Nutz und Frucht, so
aus der Betrachtung des Leiden Christi kommen, wie ein Spruch andeutet, Alberto
zugeschrieben, der sagt, dass es besser sei, Christi Leiden einmal obenhin
überdacht, denn dass man ein ganzes Jahr fastet oder alle Tage einen
Psalter betet, welchem Spruch denn die Leute in Blindheit folgen und die rechte
Frucht des Leiden Christi verlieren, damit, dass sie ihr eigen Tun, ihr
Betrachten ansehen. Noch weiter irren die, so sich tragen mit allerlei Bildlein
und Büchlein, Briefen und Kreuzen, wobei etliche so weit gehen, dass sie
sich damit vor Schwert und Spieß, Hieb und Stich, Feuer und anderer
Fährlichkeiten zu sichern meinen, und also Christi Leiden ein Unleiden in
ihnen wirken soll wider seiner Art und Natur.
Zum dritten haben sie ein Mitleiden mit Christo, ihn zu klagen und zu beweinen
als einen unschuldigen Menschen; gleichwie die Weiber, die Christo von
Jerusalem nachfolgten und von ihm gestraft wurden, sie sollten sich selbst
beweinen und ihre Kinder.
Der Art sind auch die, die mitten in der Passion weit ausholen und reden viel
von dem Abschied Christi zu Bethanien und den Schmerzen der Jungfrau Maria,
verziehen also die Passion und kommen nicht weiter, ja kommen nicht zur
Hauptsache.
Vor allen Dingen soll man fleißig merken, welches das vornehmste ist, das
man in der Passionspredigt mit nichten übergehen noch dahinten lassen
soll, nämlich die Ursache und endliche Meinung des Leiden Christi, auf
dass wir einen reinen, feinen und klaren Unterschied haben und behalten
zwischen diesem Leiden unsers Herrn Jesu Christi und zwischen dem Leiden
anderer Menschen. Denn, wo der Teufel die Historie nicht anfechten, noch die
Leute dahin bringen kann, dass sie derselben ganz und gar vergessen, da nimmt
er wenigstens die Kraft und Frucht der Historien hinweg, dass sie, ob sie schon
die Historie hören und wissen, dennoch nichts davon verstehen, noch
einigen Trost davon haben.
Warum soll man hierauf fleißig Achtung geben, dass man des Herrn Leiden
und der andern Leiden wohl unterscheide. Denn der Teufel und seine Jünger
leiden auch; so leiden auch die Frommen und Seligen. Die lieben Heiligen,
Propheten, Apostel und Märtyrer haben gelitten zu ihrer Zeit; und die
frommen Christen leiden noch heutigen Tages, wo sie auch sind hin und wieder
zerstreut in der Welt. Der Teufel mit seinen Engeln, Aposteln, Jüngern und
Schülern leidet das höllische Feuer, wird aber davon nicht besser
noch heiliger. Die lieben Heiligen haben gelitten, und leiden eines Teils noch
in der Welt allerlei Verfolgung und Marter, beide vom Teufel und von der argen
Welt. Aber kein Leiden hat diese Ursache und Bedeutung, noch Zweck und Ziel,
welche des Herrn Christi Leiden hat.
Deshalb soll man's also unterscheiden. Ein Christ und Heiliger, wenn er schon
viel leidet, so leidet er doch nur vor der Welt, und darum, dass er mit seinem
Leiden Gott ehre, preise und lobe, wie im Evangelio Johannis am Letzten
geschrieben stehet, da Christus zu Petrus spricht (V. 18 f.) : Wahrlich,
wahrlich, ich sage dir, da du jünger warest, gürtetest du dich
selbst, und wandeltest, wo du hin wolltest.
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