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Osterpredigten
von Martin Luther
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Predigt am Palmsonntag
( Martin Luther )
- Seite 6 ( von 8 ) -
Denn daher ist es gekommen, dass die, die oben angezeigt sind, Christi Leiden
nicht recht behandeln; weil sie Gott nicht recht darum anrufen, sondern aus
ihrem eigenen Vermögen eigene Weise dazu erfinden und ganz menschlich und
unfruchtbarlich damit umgehen.
Zum zehnten, wer also Gottes Leiden einen Tag, eine Stunde, ja eine
Viertelstunde gedenkt, von demselbigen wollen wir frei sagen, dass es besser
sei, denn ob er ein ganzes Jahr fastet, alle Tage einen Psalter betet, oder
hundertmal die Passion lese. Denn dieses Bedenken wandelt den Menschen
wesentlich um, wie die Taufe wiederum neu gebiert. Hier wirket das Leiden
Christi sein rechtes, natürliches edles Werk, erwürgt den alten Adam,
vertreibt alle Lust, Freude und Zuversicht, die man haben mag an der
vergänglichen Kreatur; gleichwie Christus von allen, auch von Gott
verlassen war.
Zum elften, dieweil denn solches Werk nicht in unserer Hand ist, so geschieht
es, dass wir es zuweilen bitten, und erlangen es doch nicht zu der Stunde;
dennoch soll man nicht verzagen oder ablassen. Zuweilen kommt es, da wir nicht
darum bitten, wie Gott denn weiß und will, denn es will frei sein und
ungesucht: da wird denn der Mensch betrübt in seinem Gewissen, und
missfällt ihm selbst übel in seinem Leben, und mag wohl sein, dass er
nicht weiß, dass Christi Leiden solches in ihm wirkt, daran er vielleicht
nicht gedenkt, gleichwie die andern wohl an Christi Leiden gedenken, und doch
nicht zur Selbsterkenntnis dadurch kommen. Bei jenen ist das Leiden Christi in
der Verborgenheit und wahrhaftig; bei diesen scheinbar und betrüglich;
Gott hat die Weise, dass er manchmal das Blatt umwendet, dass die nicht das
Leiden bedenken, die es bedenken, und die Messe hören, die sie nicht
hören, und die sie nicht hören, die sie hören.
Zum zwölften, wenn wir das Leiden und Sterben Christi in der Marterwoche
recht begangen haben, kommen wir zu dem Ostertag und der Auferstehung Christi.
Wenn der Mensch also seine Sünde gewahr geworden, und ganz erschreckt in
ihm selbst ist, muss man Acht haben, dass die Sünden nicht also im
Gewissen bleiben, es würde sonst gewiss eine volle Verzweiflung daraus;
sondern gleichwie sie aus Christo erkannt worden sind, so muss man sie wieder
auf ihn werfen, und das Gewissen ledig machen.
Darum siehe ja zu, dass du nicht tust, wie die verkehrten Menschen, die sich
mit ihren Sünden im Herzen beißen und fressen, und streben darnach,
dass sie durch gute Werke oder Genugtun hin und her laufen, oder auch mit
Ablass sich daraus arbeiten, und so der Sünde los werden möchten;
welches unmöglich ist, und leider weit eingerissen ist solche falsche
Zuversicht der Genugtuung und Wallfahrten.
Zum dreizehnten: Dann wirst du aber deine Sünde von dir auf Christum, wenn
du festiglich glaubst, dass seine Wunden und Leiden deine Sünde sind, dass
er sie trage und bezahle, wie Jesaias 53, 6 sagt: Gott hat unser aller
Sünde auf ihn gelegt. Und St. Petrus 1. Cp. 2, 24: Er hat unsere
Sünde an seinem Leibe getragen, auf dem Holz des Kreuzes. St. Paulus 2.
Corinth. 5, 21: Gott hat ihn gemacht zur Sünde für uns, auf dass wir
würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.
Auf diese und dergleichen Sprüche musst du dich ganz und gar verlassen, so
viel mehr, je härter dich dein Gewissen martert. Denn wo du das nicht
tust, sondern dich vermissest, durch deine Reue und Genugtuung es zu stillen,
so wirst du nimmermehr zur Ruhe kommen, und musst zuletzt doch verzweifeln.
Denn unsere Sünden, wenn wir sie in unserem Gewissen handeln, und bei uns
lassen bleiben, in unserm Herzen ansehen, so sind sie uns viel zu stark, und
leben ewiglich. Aber wenn wir sehen, dass sie auf Christo liegen, und er sie
überwindet durch seine Auferstehung, und wir das kühnlich glauben, so
sind sie tot und zunichte geworden. Denn auf Christo mochten sie nicht bleiben,
sie sind durch seine Auferstehung verschlungen, und siehst jetzt keine Wunden,
keine Schmerzen mehr an ihm, das ist, keine Anzeigung unserer Sünden.
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