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Osterpredigten
von Martin Luther
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Predigt am Palmsonntag
( Martin Luther )
- Seite 3 ( von 8 ) -
Wenn sie die armen Leute hätten recht führen wollen, so sollten sie
die Übeltäter also unterrichtet haben, und gesagt: Lieber Mensch, du
bist des Todes schuldig; erstlich vor Gott, darum, dass du in Sünden
empfangen und geboren, und ein sündiger Mensch bist, wie alle Adamskinder,
auf welche die Sünde und der Tod geerbt ist, Röm. 5. Darnach bist du
auch des Todes schuldig vor der Welt, weil du diese Übeltat begangen hast.
Darum siehe, dass du den verdienten Tod mit Geduld annehmest, Gott und der Welt
genug tuest. Denn das Gericht und die Strafe, die jetzt über deinen Leib
geht, ist auch Gottes Gericht und Strafe; aber mit deinem Tode löschest du
deine Sünden nicht aus. Denn wie sollte das Schwert, Rad etc., so du
verdient hast, die Sünde tilgen? Sondern dein Tod geschieht den andern zum
Exempel und zur Besserung. Willst du aber selig werden, so ruf an Gottes Lamm,
das der Welt Sünde trägt. Also sollten sie die Sünder
unterwiesen haben, und ihnen angezeigt, dass ihr Leiden herunter gehöre,
auf dass der Welt genug geschehe, vor welcher sie des Todes schuldig geworden
sind, über das, dass sich vor Gott Sünder und des ewigen Todes wert
sind.
So aber jemand leidet als ein Christ, der soll sagen: Ich will dies unserm
Herrn Gott zu Lob und Ehren leiden. Denn ich nicht allein dieses Leidens,
sondern auch des Todes schuldig bin vor Gott, meine Haut, Haar und ganzer
Körper ist schuldig. Darum will ich's in Gottes Gehorsam und Willen
aufnehmen und dulden, es sei Trübsal, oder Angst, oder Verfolgung, oder
Hunger, oder Blöße, oder Fährlichkeit, oder Schwert. Und will's
in solchem Glauben leiden, dass Gott dadurch gelobt und gepriesen werde.
Solches aber glauben allein die Christen. Ein Unchrist und Heide glaubt das
nicht.
Das sind andere causae et fines, Ursachen und Zwecke der Leiden in der Welt,
nämlich dass man durch solch Leiden vor der Welt genug tue, wie der
Übeltäter Leiden ist; oder dass man dadurch Gott ehre und preise, wie
der Heiligen und Christen Leiden ist, aber causa et finis, Ursache und Zweck
des Leidens Christi heißt: für uns gelitten. Diese Ehre, wie gesagt,
soll man keinem andern Leiden geben. Man soll nicht sagen, wie im Papsttum
unverschämt gepredigt worden ist: O du heilige Jungfrau Maria, du hast
mehr gelitten, denn du schuldig bist gewesen. Dein übriges Leiden und
Verdienst komme mir zu Hilfe und Trost. Man soll auch nicht sagen: O Sancte
Johannes, und o ihr heiligen Märtyrer, lasst mich euer Leiden teilhaftig
werden; sonderlich aber du heilige Mutter Gottes, zeige deinem Sohne Jesu deine
Brüste, und erwirb mir Gnade bei ihm. Der Papst hat solche
Gotteslästerung aufgerichtet und bestätigt, das war sein Schatzkasten
über aller Heiligen Verdienst, darein er, wie er unverschämt
rühmt, greifen könnten mit seinen Schlüsseln, und andern Leuten
von dem selben Schatz austeilen ums Geld.
Solche geulichen, schrecklichen Predigten haben wir gehabt unter dem Papsttum.
Man hat wohl das Leiden Christi auch gepredigt; aber man hat's gar nicht
unterschieden von dem Leiden der andern Heiligen, das ist, man hat das Leiden
Christi nicht also gehandelt, dass man angezeigt hätte, wie uns damit
gedient ist, und wie wir desselben genießen sollen. Ja, man hat vielmehr
das Widerspiel getrieben, und die Leute dahin gewiesen, wie sie sich der
Heiligen Leiden sollten teilhaftig machen. Ob man schon gepredigt hat, Christus
habe gelitten; so hat man doch die Frucht und den Nutzen solches Leidens nicht
allein verschwiegen, sondern auch verkehrt.
Darum soll man's fleißig unterscheiden. Aller Anderer Leiden haben ihre
eigene Causas et fines, Ursachen und Zwecke, dahin sie gerichtet sind. Christi
Leiden hat auch seine eigene und sonderliche causam et finem, Ursache und
endliche Meinung, dahin es gerichtet ist. Von der Jungfrau Maria und von andern
Heiligen sage ich also: Sancta Maria, Sancta Johannes, etc.
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