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Predigt am Karfreitag. Von dem Leiden und
Sterben unsers Herrn Jesu Christi insgemein
( Martin Luther )
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Das ganze 53. Kapitel des Propheten Jesaia ist eine Weissagung von Christo und
von seinem Leiden und Auferstehen. Und hat in demselben Kapitel der heilige
Geist die Leiden Christi ja so hell und klar bezeugt, als hernach im Neuen
Testament von einem Apostel davon geschrieben ist. Und ist solche Weissagung
durch Christum reichlich erfüllt.
Wie denn der Evangelist Marcus den Propheten in einem Stück anführt,
da er spricht: Und sie kreuzigten mit ihm zwei Mörder, einen zu seiner
Rechten und einen zur Linken. Da ward die Schrift erfüllet, die da saget:
Er ist unter die Übeltäter gerechnet. Und zwar der Herr führt
selbst diese Weissagung von ihm an, und spricht zu seinen Jüngern, Lucas
22, 37: Ich sage euch, es muss noch das auch vollendet werden an mir, das
geschrieben stehet: Er ist unter die Übeltäter gerechnet. Dann das
von mir geschrieben stehet, das hat ein Ende.
Also hat unser lieber Herr Jesus Christus den Ostertag gefeiert, dass er Gottes
Wort von seinem Leiden gehört hat, und dasselbige mit der Tat und mit dem
Werk erfüllet. Denn er war ein solcher Prediger, der Gottes Wort nicht
allein im Munde führte, sondern auch mit dem Werk bewies, wie St. Lucas
von ihm sagt, Apstgesch. 1, 1: Jesus fing an beide, zu tun und zu lehren. Und
solches haben die Propheten lange zuvor durch den heiligen Geist bezeugt, auf
dass wir wissen, Christus sei gestorben nicht um seinetwillen, sondern seinem
himmlischen Vater zu Gehorsam und uns zu Dienst und Liebe.
Und das ist auch das fürnehmste und höchste Stück in der
Passion, dass man ansehe und bedenke, dass Christus gelitten hat seinem
himmlischen Vater zu Gehorsam und uns zu dienst und Nutz, auf dass die Schrift
erfüllt würde. Es ist wohl zu bedenken, welcherlei die Erlösung
sei, damit uns Christus erlöst hat, nämlich nicht aus
Ägyptenland, noch zeitlich, sondern eine ewige Erlösung von
Sünde, Tod und Hölle. Es ist auch wohl anzusehen und zu bedenken, was
die Bezahlung sei für unsere Sünde, nämlich das Christus
für uns gegeben hat nicht Geld oder Gut, sondern seinen Leib und Leben;
wie St. Paulus oft rühmt, Christus habe sich selbst für unsere
Sünde gegeben, Galat. 1, 4. Eph. 5, 2. Tit. 2, 14. Desgleichen ist auch
wohl zu bedenken, wie große Marter Christus für uns gelitten hat,
und wie sauer es ihm geworden ist, dass er blutigen Schweiß gelassen,
gekrönt, verspottet, verspeit, zergeißelt, ans Kreuz genagelt und
zerstochen worden ist, um unsertwillen. Aber dies ist das größte und
höchste Stück, dass Christus hat leiden müssen, auf dass die
Schrift durch ihn erfüllt würde. Dies Stück soll man
fleißig ansehen und bedenken, auf das man nicht allein die
Größe der Erlösung, der Bezahlung und der Marter erkenne,
sondern auch erkenne des Herrn Christi Herz und geneigten Willen gegen uns, wie
herzlich gut er's mit uns gemeint, und wie ein Herz voll Liebe in ihm gewesen
ist, dass er sich selbst für uns gegeben hat. Darum sollen wir auch
wiederum lieb gewinnen beide, ihn, der solche Marter für uns gelitten hat,
und den himmlischen Vater, der ihm solches auferlegt und befohlen hat. Solche
liebe soll in uns wirken die Erkenntnis seines Herzen gegen uns, in welcher er
solche Marter auf sich nimmt und für uns leidet. Und ein menschliches Herz
muss härter sein, denn ein Stein, ja härter denn Eisen und Stahl,
welches dadurch nicht weich noch bewegt wird.
Dennoch geht die liebe, zarte Welt dahin, und nimmt solches gar nicht zu
Herzen, ist faul, kalt, undankbar, und verachtet solchen großen Schatz.
Darum geschieht's auch, dass unser Herr Gott sie wiederum dahin gibt, dass sie
immer je weiter davon kommt. Und tut unser Herr Gott eben recht, dass er zu der
undankbaren Welt spricht: Magst du nicht der großen Liebe, dass ich dich
so väterlich und herzlich heimgesucht, und meinen lieben Sohn für
dich in so großer Marter gegeben habe, wohlan, so mag ich dein wieder
nicht. Fragst du nichts darnach, was ich getan habe, so frage ich, auch nichts
nach dir.
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