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Ostergeschichten
und -märchen
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Hans Donnerstag. Ein Ostermärchen
( Ludwig Ganghofer )
- Seite 1 ( von 5 ) -
Es war einmal, vor grauen Jahren, eine arme hochbetagte Wittib. Mutter
Nänni, so nannten sie die Leute; sie wohnte ganz am Ende des Dorfes in
einem kleinen Häuschen und hatte einen groß gewachsenen Sohn, mit
Namen Lebrecht. Dieser Name passte wie gesucht für ihn, denn er lebte
recht und brav, wie es einem armen, ehrlichen Burschen zukommt. Er war von
schlankem Wuchs, kräftig und behend, und hatte ein freundliches, von
dunklen Haaren umrahmtes Gesicht mit haselnussbraunen Augen, die mit stillem
Ernst in die Welt schauten, sinnend und träumend, nur manchmal ein wenig
gar zu traurig. Das hatte nun freilich einen guten Grund . . . und dieser Grund
hieß Maragret. "Hab' mir's aber gleich gedacht, dass wieder so ein
verflixtes Mädel dahinter steckt!" So hat bis heute noch jeder
gesagt, der diese Geschichte zu hören bekam. Ja, ein verflixtes Mädel
war sie, die Maragret. Sie tat sich auf ihren reichen Vater, den alten
Müller, gar viel zu gute, war hoffärtig und eingebildet wie eine
Elster, die das Plappern kann, zu Possen und Streichen immer aufgelegt, und
ihre Röcke flogen, auch wenn der Wind nicht ging - so flink und fahrig war
die Maragret. Aber sauber war sie auch, bildsauber, das musste man ihr lassen.
Sie konnte mit ihrem roten, lachenden Mund und ihren blitzenden Kirschaugen
einem das Herz im Leib umdrehen . . . davon wusste der Lebrecht ein Liedlein zu
erzählen.
Das war nämlich so gekommen. Der Mann der alten Nänni hatte, als es
mit ihm ans Sterben ging, seinen Jungen gerufen und zu ihm gesagt: "Schau,
Lebrecht, mach' es mir nicht nach! So ein Vogelsteller hat nichts als Plag' und
Sorgen all seiner Lebtag', armen Verdienst und sauren Lohn. Da sieh dir doch
lieber den dicken Müller an! Der hat den Verstand doch auch nicht mit
Löffeln gegessen; als ein armer Teufel ist er ins Dorf gekommen und heute
sitzt er mitten drin zwischen Mehl - und Geldsäcken. Sei gescheit,
Lebrecht, und wird' ein Müller, dann kannst du es dir wohl sein lassen auf
deine späten Tage." So sprach der Alte, und darauf starb er. Mutter
Nänni und Lebrecht weinten bitterlich um ihn, und als sie ihn am Waldsaum
unter einer alten Tanne begraben hatten, von deren Ästen die langen grau -
grünen Moosfäden wie Trauerfähnlein wehten, da machte sich
Lebrecht auf den Weg zum Müller. Wohl hätte ihm das freie Leben in
Wald und Heide besser zugesagt, aber er wollte als guter Sohn seinem toten
Vater den Willen tun.
"Ich möchte fragen, ob Ihr in der Mühle nicht einen Knappen
brauchen könnt?" Mit diesen Worten betrat er die Müllerstube.
"Wir wollen sehen," schmatzte der Müller, der hinter dem Tische
saß, während vor ihm auf blinkendem Zinnteller ein fetter
Schweinebraten dampfte. Er begann mit Lebrecht zu reden, der ihm so kluge
Antworten gab, dass der Müller bald seinen Vorteil ersah und den starken,
umsichtigen Burschen eindingte als seinen Knappen. Darüber kam die
Maragret in die Stube, um dem Vater das gefüllte Kännlein zu bringen;
und als da der Bursche das schöne Mädchen sah, wurde er bis über
die Ohren rot und brachte kein Wort mehr über die Lippen. Lachend schickte
ihn der Müller zu den Gesellen und da fragte die Maragret, was das
für ein Mensch wäre. "Der neue Mühlknappe!" "Ach
so," meinte sie und warf das rote Mäulchen auf, "hab' schon
gedacht, es wär' ein Stockfisch, den der Vater aus dem Mühlbach
gezogen hat!" Das hörte Lebrecht, als er unter der Türe stand,
und noch dunkler färbte sich sein Gesicht.
Von diesem Tag an blieb er in der Mühle. Vor der Sonne stand er auf und
nach der Sonne ging er schlafen; mit dem einen Aug' war er bei der Arbeit, mit
dem andern bei der Maragret. Und jedes dieser zwei Augen gab aus für ein
ganzes Dutzend. Die Leute hatten noch niemals so feines Mehl bekommen, und
niemals hatte der Müller so viele Kunden gehabt, als seit der Lebrecht den
Mühlgang führte.
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