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Ostergeschichten
und -märchen
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Hans Donnerstag. Ein Ostermärchen
( Ludwig Ganghofer )
- Seite 4 ( von 5 ) -
Als er das Feld erreichte, schallten ihm alle Glocken aus dem Dorf entgegen.
Lebrecht hörte sie nicht, er ging in Träumen seinen Weg.
Allmälig begannen die Glocke zu verstummen, eine nach der andern, bis
endlich der letzte Klang dahinschwellte über das Land, wie ein banger,
schmerzvoller Seufzer . . . es waren die Glocken gestorben, um erst mit dem
Heiland wieder zu erwachen am heiligen Ostertag. Und als die Glocken schwiegen,
stieg aus allen Dächern des Dorfes ein weißer Rauch . . . der Dampf
des Wassers, mit dem sie die Feuer löschten auf jedem Herde. Lebrecht sah
es nicht, er ging in Träumen seinen Weg, und als er das Häuschen
seiner Mutter erreichte, bemerkte er gar nicht das viele, schön gespaltene
Holz, das am Gartenzaune aufgeklastert stand. Da mag ja wohl der kleine Hans
Donnerstag im Spiel gewesen sein.
Und wie im Traum verging dem Lebrecht der andere Tag, und auch der
nächste. Als aber dann am Karsamstag Abend Mutter Nänni das schwere
Bündel mit den geweihten Holzscheiden zusammenpackte, die sie zum heiligen
Osterfeuer spenden wollte, da fuhr Lebrecht auf.
"Gib mir das Holz, Mutter," sagte er, und eine brennende Röte
überflog sein Gesicht. "Lass mich das Feuer holen!" Er warf das
Bündel auf den Rücken und griff nach der langen Fackel, welche vom
Osterfeuer die auferstandene Flamme heim tragen sollte für Mutter
Nännis Herd.
Just als die Sonne sank, weit in der Ferne und blutig rot, erreichte Lebrecht
den Hügel, auf welchem das Osterfeuer lodern sollte die ganze Nacht
hindurch. Und just kam auch von der anderen Seite die Maragret. Er blickte
nicht auf zu ihr; sie aber streifte mit scheuem Blick seine Graumannskappe, und
ihre Hände zitterten, als sie auf den mächtigen Holzstoß, der
schon gesammelt stand, ihre Scheite neben die seinen legte. Während der
letzte Schein der Sonne erlosch, war Alles stille . . . und Alle beteten. Dann
traten die Ältesten des Dorfes zusammen, um jenen zu wählen, der das
heilige Feuer zünden, die schlafende Flamme erwecken sollte. Auf Lebrecht
Graumann fiel ihre Wahl . . . es war die größte Ehre, die einem
widerfahren konnte; das hieß so viel, als: das ist der Tüchtigste,
der Bravste unter uns, er hat die reinste Hand und das reinste Herz! Und dem
Lebrecht brannten auch die Wangen vor stolzer Freude, als er hervortrat aus dem
Kreis.
Da legte einer der Ältesten die Hand auf seinen Arm. "Ich meine
Lebrecht," sagte er, "du solltest doch dein Käpplein
abnehmen."
Lebrecht aber schüttelte den Kopf. "Nein, meine Kappe will ich
tragen. Mag lieber ein anderer das Feuer zünden."
So ließen sie es zu, dass er das Feuer weckte, mit der Graumannskappe auf
seinem Haupt. Er schlug den Funken aus Stahl und Stein, in dürrem Moose
blies er ihn an zu roter Glut; den glühenden Zunder schob er in eine
Weizengarbe und blies, bis aus den gelben Halmen die helle Flamme schlug. Ein
hundertstimmiger Jubelruf erscholl aus allen Kehlen . . . schon fingen die
Späne Feuer und bald war die Nacht in Tag verwandelt, denn baumhohe
Flammen loderten aus dem brennenden Stoß. Uralte heilige Gebräuche
wurden geübt, man briet einen mächtigen Widder am Spieß, jeder
aß von diesem Fleisch, dann nahm Gesang und Tanz und fröhliches
Gelage seinen Anfang. Nur zwei taten nicht mit dabei . . . Lebrecht Graumann,
der als Wecker und Wächter still versunken neben dem Feuer saß . . .
und die Maragret, die sich unter den Nachtschatten einer alten Tanne
geflüchtet hatte.
Als dann im Osten ein falber Schein erwachte und das erste Morgenlüftchen
über den Hügel strich, da war die Lustbarkeit zu Ende, und
Männer und Weiber, eines nach dem anderen, trat an den Holzstoß
heran, um die Fackel zu entzünden und vom heiligen Feuer eine Flamme heim
zutragen für das kommende Jahr. Auch die Maragret kam herbei, still, mit
gesenktem Köpfchen - und da war es dem Lebrecht, als höre er neben
sich die piepsende Stimme eines Unsichtbaren: "Ich will sie stolpern
machen - gibt ihr noch einen tüchtigen Stoß!"
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