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Ostergeschichten
und -märchen
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Als ich nach Emaus zog
( Peter Rosegger )
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Am Ostermontag, wenn der Gottesdienst vorüber ist und im Waldlande die
Leute beim Mittagsmahle sitzen, kommt es vor, dass einer sagt: "Heut ist
Ostermontag, heut sollen wir nach Emaus gehen." Und fast allemal entgegnet
ein anderer: "Nach Eb'naus (eben aus) gehen, das ist bei uns im Gebirg'
eine Kunst." Aber der strenge Hausvater verweist: "Gescheiterweis'
reden! Heilige Sach' ist kein Spaß!"
Am Vormittag haben sie es bei der Predigt gehört, dass nach dem Tode Jesu
die Jünger gar vereinsamt und betrübt umhergegangen seien, immer nur
an den Herrn und Meister denkend, der ein paar Tage früher gekreuzigt und
begraben worden war. Und als sie die Strafe entlang gingen, die nach Emaus
führte, da begegnete ihnen der Gekreuzigte leibhaftig und
grüßte sie: "Der Friede sei mit euch!" , also dass sie
wussten, er ist von den Toten auferstanden. - Dessen gedenkt man im Waldlande
frommen Sinnes, und sei es nun auf der Bergstraße oder im Tale
draußen, irgendwo steht doch ein Wirtshaus, und das ist das Emaus, nach
welchem man an diesem Tage pilgert. - Jenem, der still beschaulich zwischen den
grünenden Saaten dahin schreitet unter dem Gesange der Vögel, die auf
den treibenden Zweigen sich schaukeln, und der in den milden Sonnenäther
des Himmels aufschaut, Sehnsucht im Herzen, dem begegnet der Auferstandene mit
dem Gruße: "Friede sei mit dir!" - Jenen, die nach ernsten
Berufsarbeiten zur feiertägigen Erholung in heiterer Geselligkeit dem
Wirtshause zuwandeln, sei es Freund mit Freund, sei es Bursche mit Mädchen
in ehrsamer Neigung, sei es der Geigenspieler und der Pfeifenbläser zur
hellen Osterfreudigkeit, denen begegnet der Herr und grüßt sie:
"Der Friede sei mit euch!" - Dem aber, der mit frömmelnder
Miene, Schlimmes sinnend, nach Emaus" schleicht, dem begegnet der Heiland
nicht - doch möglicherweise etwas anderes.
Zurzeit, als ich ein Knabe von etwa zehn Jahren war, wollte mein Vater einmal
in der Fasten einen eingewanderten vazierenden (herumlungernden) Tagwerker
aufnehmen; es gab zur solcher Zeit eigentlich nicht mehr Arbeit in der
Wirtschaft, als wir mit unserem Gesinde selbst verrichten konnten, doch mein
Vater meinte: "Arbeitet er schon nicht viel, so soll er uns wenigstens
fasten helfen. Wo will er denn sonst hingehen jetzt? Hat auch schon einen
grauen Bart."
"Ist selber schuld," antwortete die Mutter, "warum balbiert er
sich nicht. Der Tritzel gefällt mir nicht, sie sagen ja, er wäre
schon einmal eingesperrt gewesen."
"Musst nicht alles glauben, was sie sagen. Die Leut' tun alleweil gern
andere noch schlechter machen, als sie selber sind."
"Und der Tritzel gefällt mir nicht," wiederholte die Mutter,
"er hat einen krummen Blick." "Einen krummen Blick hat er, weil
er schielt," sagte der Vater , "und fürs Schielen kann der
Mensch nicht."
"Da hast freilich wieder recht," darauf die Mutter, "und wenn er
jetzt im Märzen keinen anderen Platz findet und er auf der freien Weid'
müsst' liegen, da mögen wir ihn doch lieber nehmen."
Also war es verabredet worden. Aber bei der Aufnahme konnte mein Vater nicht
unterlassen, den Tagwerker zu fragen: "Bist du nicht einmal in der Keichen
(im Arrest) gesessen?"
"Ja, das ist gewiss," antwortete der Tritzel.
"Was hast denn angestellt?"
"Schon etwas der Müh' wert, das magst dir denken, Waldbauer. Mir ist
nicht zu trauen, mir!"
"Darf man's wissen?"
"Warum denn nicht! Im Arzbachgraben bin ich ein armer Kleinhäusler
gewesen."
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