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Ostergeschichten
und -märchen
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Als ich nach Emaus zog
( Peter Rosegger )
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"Ja," antwortete ich, "und sind mächtig viel Kreuzer und
Groschen drin."
"Hat's die Alte akkurat wieder stehen lassen!" sagte der Tritzel
draußen in grollendem Tone. "Wenn man halt nicht überall
nachschaut! Auf die alten Weiber ist hell kein Verlass. Für was geht sie
denn Brot sammeln bei den Bauern, wegen Kapelldienst, wenn sie doch aufs Geld
nicht schaut! Schandbare Leichtsinnigkeit! Mach, Bub, gib's heraus! Das
Schüsserl sollst mir herausgeben, das zinnerne Geldschüsserl!"
Jetzt, das kam mir nicht ganz richtig vor.
"Kirchen ausrauben?" sagte ich endlich.
"So ist's! Kirchen ausrauben kunnten sie, die Schelm', wenn man das Geld
tät stehen lassen da in der Kapellen!" sprach der Tritzel.
"Kirchengut muss man wahren. Geh, Buberl, gib's heraus, schau, ich g'lang
schon." Recke den Arm zum Fensterchen herein und krabbelte mit den langen
hageren Fingern in der Luft umher.
"O nein," war mein Bescheid, "Kirchen ausrauben tu ich
nicht."
"Kindisch, wer redet denn von so was! Bei dem heiligen Gang so dumm reden!
Dich wird unser Herrgott noch einmal recht strafen! Dem Herr Pfarrer tragen wir
das Geld hinab. Der Herr Pfarrer hat mich gebeten, dass ich ihm von der
Kreuzkapelle das Geld möchte holen."
"So hol's, Tritzel."
"Wenn ich aber nicht hinein kann. Und du bist schon drinnen. Willst in den
Himmel kommen?"
"Ja freilich."
"So gib mir das Geld heraus!"
Ein kleines Weilchen überlegte ich, da war's, als flüsterte irgendwo
jemand: "Tu's nicht! Tu's nicht!" Und laut war mein Schrei:
"Nun, ich tu's nicht!"
"Waldbauer-Bübel, mach keine Geschichten!" schmeichelte er
draußen. "Dem Herrn Pfarrer muss man das Wort halten. Kannst ihn
auch einmal zu brauchen haben. Steig nur auf die Betbank und gib's heraus.
Verstreu nichts, jeder blutige Kreuzer ist heilig! Na, mach Bürschel,
mach! Kriegst nachher was von mir."
Es half ihm aber nichts. Und als er das endlich einsah, ging er fluchend von
dannen. Der Boden knarrte, da er über den Schnee hinschritt gegen den
Wald.
Ich war in eine trotzige Stimmung gekommen, ohne eigentlich recht wissen,
warum. Als es jetzt aber ganz stille war in der dämmerigen Kapelle und die
zwei von mir angezündeten Kerzen wie Totenlichter brannten vor dem
Kreuzbilde, da begann mir unheimlich zu werden. Das Blut sah ich an den
Händen und Füßen des Gekreuzigten, und als ich so hinaufstarrte
zum blassen, dornengekrönten Antlitze mit dem gebrochenen Aug', da war's,
als bewegte sich ein wenig das Haupt. Nur ein einzigmal - und dann war's wieder
wie früher.
Mein Versuch, vermittels eines Betpultes zum Fenster wieder hinaus zu kriechen,
misslang; so fasste ich den vom Türmchen nieder hängende
Glockenstrick und hub an zu ziehen, aber nicht gleichmäßig, sondern
mit heftigen Zügen und in Absätzen, wie man die Feuerglocke
läutet. Als die Erschöpfung kam, setzte ich mich an die Altarstufen
und wartete auf einen Retter.
Es erschien weder der Tritzel noch jemand anderer. Schreien und Schluchzen,
neues Zerren am Stricke. Vor Weinen und Läuten endlich ganz matt geworden,
musste mich der Schlaf übermannt haben. Als ich wieder zu mir kam,
flackerte vor dem starren Kreuze nur noch eine Kerze in den letzten Zügen,
die andere war niedergebrannt und ausgeloschen. Zum Fenster schaute die Nacht
herein. Neu erwachende Angst gab mir zugleich neuen Mut, ich kletterte wieder
auf die Betbank, zwängte mich durch das Fenster, diesmal zuerst den Kopf
und den rechten Arm hinaus, und jetzt ging es. Ich fiel in den Schnee, blieb
aber nicht lange in demselben liegen, sondern lief wegshin. Der Boden war
gefroren, der Himmel Sternenbesät.
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