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Ostergeschichten
und -märchen
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Als ich nach Emaus zog
( Peter Rosegger )
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"Deswegen werden sie dich doch nicht gestraft haben!" rief mein
Vater.
"Armut ist halt ein Verbrechen," versetzte der Tritzel sehr
tiefsinnig. "Und weil ich meine Steuer nicht hab' zahlen können, so
sind die Pfänderleut' gekommen und haben mir meine Kuh wegtreiben wollen.
"Die lass ich nicht!" schrei ich, und hau dem Pfändersmann eine
ins Gesicht. Alsdann haben sie anstatt der Kuh mich fortgetrieben und
eingesperrt." "Dem Pfänder hast eine gegeben!" lachte mein
Vater auf. "Na, bleib halt da, Tritzel."
Der Alte zog - aber so, dass es mein Vater nicht merkte - das runzlige Gesicht
schief, blinzelte mit den fahlen Wimpern und murmelte in seinen Bart: "Ein
Gusto, wie sich der anplauschen lasst! - Ja, freilich bleib' ich." Und
abgemacht war's.
Tat dann der alte Tagwerker Tritzel zuerst ein bissel Schnee schaufeln bei uns
um den Hof herum, dann ein bissel Streu hacken, hernach ein bissel Dung
führen mit der Schiebtruhe in den Garten hinaus. Dabei tat er mit uns
fleißig die vierzigtägigen Fasten halten und ein sittsames Leben
führen. Als die Ostern nahten, gab mein Vater zu verstehen, dass der
Tritzel nun im Frühjahr wohl auch anderweitig einen Platz finden
würde, und jetzt war es meiner Mutter, die sprach: "Weil er uns hat
fasten helfen, der Tritzel, so kann er uns auch essen helfen; wer weiß,
wo er sonst sein Weihfleisch und die Osterkrapfen finden kunnt."
Also blieb der alte, graubärtige Bursch über das Osterfest in unserem
Hause, aß sich gewissentlich satt und führte gern christliche
Gespräche. So sagte er am Ostermontag beim Mittagsmahle: "Heut sollen
wir nach Emaus gehen. Gehst mit, Bübel?"
Die Frage war an mich gerichtet. "Ja, nach Emaus ginge ich mit!"
"Versteht sich!" begehrte die Mutter auf, "Kinder ins
Wirtshaus!"
"Waldbäuerin, versetzte der Tritzel ernsthaft, "vom Wirtshaus
ist keine Red'. Bei mir schaut das Christentum anders aus. Der Gang nach Emaus
ist ein heiliger Gang. Ein heiliger Gang, meine liebe Waldbäuerin! Wir
gehen zu der Kreuzkapelle hinauf, dort werden wir den Heiland sicherer finden,
als im Wirtshaus - will ich meinen." "`s selb wär eh wahr,"
gab mein Vater bei, und ich durfte mit dem Tritzel gehen.
Die Kreuzkapelle stand etwa eine Stunde von uns weiter oben im Gebirge, auf
einem Waldanger. Wenn der Wetterwind ging im Sommer und dort das Glöckchen
geläutet wurde, konnte man bei und im Hof den Klang hören. In der
Fastenzeit war die Kapelle ein beliebter Wallfahrtsort, kamen an jedem Freitag
aus nah und fern Andächtige herbei, zündeten vor dem
lebensgroßen Kreuzbilde, das in der Kapelle über dem Altare stand,
Lichter an, beteten, legten bescheidene Opfergaben hin und gingen erleichterten
Herzens wieder nach Hause. Da in der Nähe dieses Andachtsortes keine
Menschenwohnung war, so ging täglich von den Waldbauernhäusern ein
altes Weiblein hinauf, um die Kapelle zu öffnen, zu schließen und
das Glöcklein zu läuten.
Das war also unser Emaus, zu welchem der alte Tagwerker Tritzel und ich
auszogen - ein heiliger Gang, wie der Alte unterwegs wiederholt versicherte.
Der Weg ging über Wiesen, durch Wäldchen hinan, war stellenweise noch
mit schmutzigen Schneekrusten belegt, stellenweise rann die Gieß, und
stellenweise ging es über aperen( schneefreien) Rasen. Bei jeder
Wegbiegung blickte ich scharf aus, ob uns nicht der liebe Heiland
entgegenkäme. Endlich sah ich von ferne aus dem Schatten hervortretend die
Gestalt; sie schwankte langsam heran, kam immer näher, und als sie ganz
nahe, war es nicht der liebe Heiland, sondern das alte Weiblein, welches mit
dem Schlüssel von der Kapelle kam. "Jetzt wird doch einmal schön
Wetter werden," redete sie der Tritzel an.
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