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Ostergeschichten
und -märchen
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Der Kamerad des Frühling. Ein modernes
Ostermärchen
( Ludwig Ganghofer )
- Seite 1 ( von 3 ) -
Ein brausender Sturm war ihm voran geflogen, hatte die Bäume gezaust und
die weiße Last von ihren Ästen geschüttelt, hatte mit Heulen
die Dächer umgefahren und den Schnee davon geweht. Dann hatte sich die
Macht des Sturmes zu einem lauen, leisen Lüftchen gedämpft, und da
wussten nun die Leute, dass er kommen würde. Mit leichten Sohlen stieg er,
von Süden her, über den Grat des Gebirges, ein schöner
Jüngling in wallendem Blondhaar. Einen blühenden Lilienstängel
führte er als Wanderstab, sein Gewand war aus duftenden Blüten mit
Sonnenstrahlen genäht, und wo er ging , da schmolz in weiter Runde der
Schnee hinweg, es färbte sich der welke Rasen grün, die Blumen
sprossen auf, um ihre Kelche summten die Bienen, die Blätter sprangen aus
den Bäumen, und zwitschernd suchten sich in allen Büschen die
verliebten Vögel.
Nun hatte er das ebene Land erreicht und wanderte singend die weiße
Straße dahin. Erschrocken aber hielt er plötzlich inne, denn der
holde Zauber, der von ihm ausging, schien jählings gebrochen. In weitem
Umkreis sah er das Land verwüstet, den Rasen verkohlt, die Gesträuche
nieder gestampft, die Bäume gefällt. Kein singender Vogel war zu
hören, zwei schwarze Raben nur durchflatterten mit heiserem Krächzen
die von Rauch und Dunst erfüllte Luft. Und inmitten dieser
Verwüstung, auf dem qualmenden Schutte einer niedergebrannten Hütte,
sah er einen riesengroßen Mann gelagert; ein blitzender Stahlhelm deckte
das Haupt und die Stirne, ein brauner, blutbefleckter Mantel mit verbrannten
Säumen verhüllte die Gestalt und das Gesicht, so dass allein die
düster glühenden Augen zu sehen waren. Als der Unheimliche den
schönen Jüngling erspähte, rief er ihm mit dröhnenden
Worten zu: "Bist du der Frühling?" "Ja, ich bin der
Frühling," antwortete der Jüngling mit glockenweicher Stimme.
"Weshalb nur säumst du so lange?" "Mich hielt der Eisriese
gefangen; doch als ich die Osterglocken läuten hörte, hab ich meine
Fesseln mit Gewalt gebrochen und meine frohe Fahrt begonnen. Wer aber bist
du?" "Ich bin der Krieg. Doch komm, ich habe nur auf dich gewartet.
Unser Weg ist der gleiche, geh du voran, ich will dir folgen als dein
Kamerad."
Er sprang empor und schlug den Mantel auseinander. Bläuliches Erz
umschloss den riesigen Leib, am Kettengürtel Blitze fuhren aus den
Schienen seines Panzers, Rauch qualmte unter seinen Sohlen hervor, und wo er
stand, ging ein Regen von zahllosen Tropfen nieder, die sich zu rinnenden
Bächen sammelten.
"Was sollen die Bäche, die ich zu deinen Füßen rinnen
sehe?"
Es sind die Tränen, die um meinetwillen fließen." Schaudernd
wandte sich der Frühling ab und schritt voran; er hörte, wie der
Krieg ihm folgte mit Tritten, welche klirrten, wie fallendes Eisen und
schleifende Ketten. Und wo der Frühling ging, da blühte im Glanz der
Sonne das weite Land, um unter den Schritten des Krieges in Wüstenei sich
zu verwandeln
So waren sie eine Weile gewandert, als der Frühling am Straßenrain
ein junges Mädchen sitzen sag, das mit beiden Händen sein Gesicht
verhüllte und bitterlich weinte. "Schließe deinen Mantel,"
sagte der Frühling zum Krieg, "vor deinem Anblick möchte das
arme Kind zu Tod erschrecken!" Dann ging er auf die Weinende zu und
streute Blumen in ihren Schoß. Und als sie diese Gabe nicht achtete, frug
er sich: "Warum weinest du?"
"Ich weine, weil ich so verlassen bin seit langen Jahren. Wie ich noch ein
Kind war, hat der Krieg meinen Vater getötet, und meiner Mutter ist
darüber das Herz gebrochen."
Traurig blickte der Frühling dem Krieg in die glühenden Augen.
"Willst du nicht umkehren? Rührt dieser Jammer nicht dein Herz?"
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