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Ostergeschichten
und -märchen
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Der Kamerad des Frühling. Ein modernes
Ostermärchen
( Ludwig Ganghofer )
- Seite 2 ( von 3 ) -
"Mein Herz ist Stein und Eisen," sagte der Krieg. "Den ganzen
langen Winter hab' ich auf dich gewartet, nun will ich dir auch folgen."
Sie wanderten weiter und kamen zu einem schmucken Dorf. Hart an der
Straße stand die Kirche, an deren hohen Fenstern die Sonne sich
spiegelte. Wundersame Glockenklänge schwebten vom Turm hernieder, die
Orgel rauschte, und von hundert frommen Stimmen gesungen erscholl das heilige
Osterlied vom Heiland, der aus Tod und Grab erstanden.
"Willst du nicht umkehren?" bat mit sanften Worten der Frühling.
"Beuge dich vor ihm, der den Menschen den Frieden und die Liebe
brachte."
"Mein Recht ist älter als das seine," murrte der Krieg,
"denn ich wurde geboren, als Kain den Abel erschlug." Während
sie noch sprachen, war die Messe zu Ende und die Leute strömten aus dem
Tor der Kirche. "Verhülle dein Gesicht," so bat der
Frühling seinen Begleiter. Und kaum das er gesprochen hatte, eilten schon
die Burschen und Mädchen herbei; sie hatten gesehen, dass der
Frühling gekommen war, und begrüßten den lang Erwarteten mit
Tanz und Liedern. Der Frühling aber konnte sich ihres Jubels nicht von
Herzen freuen, und dann auch schien es ihm, als klänge ihr Lachen nicht so
frei und heiter, ihr Gesang nicht so hell und jubelnd wie sonst, wenn er zu
kommen pflegte.
"Weshalb begrüßt Ihr," frug er sie, "mein Kommen in
diesem Jahr mit so gedrückter Freude?"
"Weil bange Sorge auf unserm Herzen lastet," gaben sie zur Antwort,
"und weil wir fürchten, dass du nicht allein kommst und dass ein
böser Kamerad dir folgen wird."
Da lachte der Krieg und ließ den Mantel fallen. Jählings verstummten
die Lieder, im Tanz erstarrte jeder Fuß, ein gellender Wehschrei hallte
von jeder Lippe, die Weiber umklammerten ihre Männer und Söhne, die
Mädchen ihren Liebsten . . . der Krieg aber streckte die eherne Hand, riss
die Schluchzenden aus einander, hauchte Tod und Vernichtung aus seinem Munde
und schüttelte den Bart, dass Feuer auf alle Dächer flog.
Klagend eilte der Frühling von dannen, doch er hörte hinter sich den
Schritt des Krieges, klirrend wie fallendes Eisen und rasselnd wie schleifende
Ketten. So kamen sie in einen dunklen Wald. In diesem lag, dicht an der
Straße, ein kleiner See mit klarem Spiegel. Quer über die
Straße schien die Grenze eines Landes zu ziehen, denn ein in Streifen
bemalter Schlagbaum sperrte den Weg.
"Geh' nur voran," sagte der Krieg und zog sein blitzendes Schwert,
"dort drüben ist mein Ziel."
"Willst du nicht umkehren?" bat der Frühling. "Dort
drüben liegt mein schönstes Land, darin ich am liebsten meinen Einzug
halte! Soll ich es verwüstet sehen unter deinen Schritten? Sollen sie
alle, die meiner in Sehnsucht harren, meinem Kommen fluchen, weil du mir
folgst?" "Verliere keine Zeit," murrte der Krieg, "sie
wissen dass ich komme."
"Wie bist du schrecklich!" sagte der Frühling. "Hast du
schon einmal dein eignes Antlitz gesehen? Komm - ich will es dir zeigen."
Er führte den Krieg dicht an den See heran und hieß ihn nieder
blicken in das stille, tiefe Wasser. Und als der Krieg in dem glatten Spiegel
nun sein grauenvolles Abbild sah, von Flammen umlodert und von blut umronnen,
erschrak er so heftig vor sich selbst, dass seiner Hand das Schwert entfiel.
Zischend fuhr es in die Flut - doch als es schimmernd niedersank zur Tiefe, da
zitterte durch die Lüfte ein wundersamer Laut - es war, als hätte die
Erde freudig aufgeseufzt, jählings erlöst von banger Sorge.
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