Ostern.eu - Der Kamerad des Frühling. Ein modernes Ostermärchen
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Der Kamerad des Frühling. Ein modernes Ostermärchen

( Ludwig Ganghofer )

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"Mein Herz ist Stein und Eisen," sagte der Krieg. "Den ganzen langen Winter hab' ich auf dich gewartet, nun will ich dir auch folgen."
Sie wanderten weiter und kamen zu einem schmucken Dorf. Hart an der Straße stand die Kirche, an deren hohen Fenstern die Sonne sich spiegelte. Wundersame Glockenklänge schwebten vom Turm hernieder, die Orgel rauschte, und von hundert frommen Stimmen gesungen erscholl das heilige Osterlied vom Heiland, der aus Tod und Grab erstanden.
"Willst du nicht umkehren?" bat mit sanften Worten der Frühling. "Beuge dich vor ihm, der den Menschen den Frieden und die Liebe brachte."
"Mein Recht ist älter als das seine," murrte der Krieg, "denn ich wurde geboren, als Kain den Abel erschlug." Während sie noch sprachen, war die Messe zu Ende und die Leute strömten aus dem Tor der Kirche. "Verhülle dein Gesicht," so bat der Frühling seinen Begleiter. Und kaum das er gesprochen hatte, eilten schon die Burschen und Mädchen herbei; sie hatten gesehen, dass der Frühling gekommen war, und begrüßten den lang Erwarteten mit Tanz und Liedern. Der Frühling aber konnte sich ihres Jubels nicht von Herzen freuen, und dann auch schien es ihm, als klänge ihr Lachen nicht so frei und heiter, ihr Gesang nicht so hell und jubelnd wie sonst, wenn er zu kommen pflegte.
"Weshalb begrüßt Ihr," frug er sie, "mein Kommen in diesem Jahr mit so gedrückter Freude?"
"Weil bange Sorge auf unserm Herzen lastet," gaben sie zur Antwort, "und weil wir fürchten, dass du nicht allein kommst und dass ein böser Kamerad dir folgen wird."
Da lachte der Krieg und ließ den Mantel fallen. Jählings verstummten die Lieder, im Tanz erstarrte jeder Fuß, ein gellender Wehschrei hallte von jeder Lippe, die Weiber umklammerten ihre Männer und Söhne, die Mädchen ihren Liebsten . . . der Krieg aber streckte die eherne Hand, riss die Schluchzenden aus einander, hauchte Tod und Vernichtung aus seinem Munde und schüttelte den Bart, dass Feuer auf alle Dächer flog.
Klagend eilte der Frühling von dannen, doch er hörte hinter sich den Schritt des Krieges, klirrend wie fallendes Eisen und rasselnd wie schleifende Ketten. So kamen sie in einen dunklen Wald. In diesem lag, dicht an der Straße, ein kleiner See mit klarem Spiegel. Quer über die Straße schien die Grenze eines Landes zu ziehen, denn ein in Streifen bemalter Schlagbaum sperrte den Weg.
"Geh' nur voran," sagte der Krieg und zog sein blitzendes Schwert, "dort drüben ist mein Ziel."
"Willst du nicht umkehren?" bat der Frühling. "Dort drüben liegt mein schönstes Land, darin ich am liebsten meinen Einzug halte! Soll ich es verwüstet sehen unter deinen Schritten? Sollen sie alle, die meiner in Sehnsucht harren, meinem Kommen fluchen, weil du mir folgst?" "Verliere keine Zeit," murrte der Krieg, "sie wissen dass ich komme."
"Wie bist du schrecklich!" sagte der Frühling. "Hast du schon einmal dein eignes Antlitz gesehen? Komm - ich will es dir zeigen." Er führte den Krieg dicht an den See heran und hieß ihn nieder blicken in das stille, tiefe Wasser. Und als der Krieg in dem glatten Spiegel nun sein grauenvolles Abbild sah, von Flammen umlodert und von blut umronnen, erschrak er so heftig vor sich selbst, dass seiner Hand das Schwert entfiel. Zischend fuhr es in die Flut - doch als es schimmernd niedersank zur Tiefe, da zitterte durch die Lüfte ein wundersamer Laut - es war, als hätte die Erde freudig aufgeseufzt, jählings erlöst von banger Sorge.






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